Food-Trends

Do it yourself – Hausgemachtes ist sexy

Von EAT SMARTER
Aktualisiert am 24. Jan. 2022
Auch Brot kann man selbermachen. © Alex Tihonov – Fotolia.com
Auch Brot kann man selbermachen. © Alex Tihonov – Fotolia.com

Egal ob Brot, Pizza oder Cupcakes: Selbermachen ist „in“. Warum? Das verrät Trendforscherin Hanni Rützler exklusiv bei EAT SMARTER.

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„Jeder ist ein Künstler“, sagte Joseph Beuys in den 1970ern und stellte damit den traditionellen Kunst- und Bildungsbegriff auf den Kopf. Mehr noch als ein Künstler ist jeder ein Koch, ein Gärtner oder ein Lebensmittelproduzent. In dieser Rolle schicken sich immer mehr Konsumenten an, auch das System der Lebensmittelproduktion wenn schon nicht auf den Kopf zu stellen, so doch um eine nicht unwesentliche Facette zu erweitern. Mehr und mehr durchdringt der „Do it yourself“-Trend (DIY) nämlich die Herstellung von Nahrungsmitteln.

Einerseits steigt das Interesse an Herkunft, Produktionsbedingungen und Rückverfolgbarkeit von Lebensmitteln. Andererseits punkten Gärtnern und Kochen – befreit von der bloßen, unentgeltlichen Versorgungsdienstleistung, die traditionell den Frauen zugewiesen wurde – mit einem sexy Lifestyle-Bonus. Fotos von selbst zubereitetem Essen füllen die Social-Media-Kanäle, Rezepttauschbörsen, Food-Blogs, Koch- und Einmachanleitungen im Internet und im Buchhandel boomen. Und der Anbau von Obst, Gemüse und Kräutern auf dem Balkon oder der Fensterbank, im eigenen oder im gemeinsam bewirtschafteten Garten liegt weiter im Trend. Immer mehr Menschen interessieren sich auch dafür, ihr Brot selbst zu backen, Sauerkraut selbst einzusalzen, ihren Fisch zu räuchern, Obst zu Marmeladen zu verarbeiten und Gemüse einzumachen. Das Prädikat „hausgemacht“ verspricht nicht nur Geschmackserlebnisse frei von Zusatz- und chemischen Aromastoffen; auch sich selbst als Macher zu erleben und kleine Erfolge zu feiern, motiviert viele Menschen, am Trend zum DIY-Food teilzuhaben.

Selbermachen stellt einen angenehmen Ausgleich zum stressigen Alltag dar, in dem berufliche Erfolge oft länger auf sich warten lassen als das Reifen der Tomaten auf dem Balkon. Mehr noch: Im Selbermachen drückt sich der Wunsch nach Autarkie ebenso aus wie die Sehnsucht nach Partizipation. „Do it yourself“ stellt ökonomisch die reinste Form der Individualisierung dar. Sie ist – falls die eigene Herstellung von Lebensmitteln nicht nur als Hobby, sondern auch als Facette einer Alternative zur industriellen Nahrungsmittelproduktion betrieben wird – zugleich aber nur dann sinnvoll, wenn sie in alltagstaugliche Formen der Kooperation eingebunden ist.

Genau dafür bieten die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien ausreichende Vernetzungsmöglichkeiten mit Gleichgesinnten, nicht nur um Erfahrungen, sondern auch um Produkte auszutauschen. Somit werden die Voraussetzungen geschaffen, um sich zumindest partiell vom Supermarktangebot zu emanzipieren und die Vielfalt des Selbstgemachten zu genießen. Denn der eine spezialisiert sich vielleicht auf das Einlegen von Gurken, der andere backt Brot, die Dritte ist ein Marmeladen- und Chutney-Profi, und die Facebook-Freundin aus dem anderen Stadtteil stellt wunderbare Sugos her. In meinem Freundeskreis funktioniert das schon sehr gut. Wir treffen uns ab und an zum gemeinsamen Verkosten und tauschen dann unsere DIY-Produkte. Das ersetzt nicht den üblichen Wocheneinkauf, bereichert den Speiseplan aber um kulinarische Überraschungen, die ich nicht mehr missen möchte.

Hanni Rützler

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